Nach Wochen auf den Kanälen Frankreichs war es endlich soweit: Wir erreichten Sète, den letzten Stopp vor unserem Ziel, dem Mittelmeer. Doch die erste Nacht in dieser Hafenstadt wurde alles andere als erholsam.
Nervosität vor den Brücken
Unser Plan war klar: Die fünf Brücken von Sète passieren und endlich das Mittelmeer erreichen. Doch die Theorie klang einfacher, als es in der Praxis war. Schon im Vorfeld hatten wir viele Fragezeichen: Funktioniert die Online-Anmeldung? Werden die Brücken überhaupt öffnen? Und was, wenn etwas schiefläuft?
Eine Bestätigung für unsere Anmeldung gab es nicht, nur die Information, dass die Brücken um 10 Uhr und 19 Uhr öffnen würden – und im Winter die 16-Uhr-Öffnung entfällt. Diese Unsicherheit machte uns nervös, doch wir entschieden uns, es zu wagen. Ein Zurück gab es nicht, denn der nächste geeignete Anlegeplatz für unseren Tiefgang lag zu weit entfernt.
Die Nacht an der Kaimauer
Wir legten vor der ersten Brücke an einer Kaimauer an, direkt vor einem Restaurant. Eigentlich hatten wir erwartet, dort regulär Strom beziehen zu können – doch das war nicht der Fall. Erst nachdem das Restaurant geschlossen hatte, schlichen wir uns hinaus und schlossen unser Boot an eine Außensteckdose an. Diese heimliche Aktion nahm uns zumindest die Sorge vor der Kälte: Wir konnten über Nacht heizen.
Das Schaukeln des Boots durch vorbeifahrende Motorboote machte die Nacht jedoch nicht angenehmer. Immer wieder wurden wir von Wellen durchgerüttelt, und jedes Mal hielten wir den Atem an: Rutschen die Fender weg? Rammt unser Boot die Kaimauer? Fliegt drinnen etwas durch die Gegend? Diese Gedanken hielten uns wach.
Zu allem Überfluss hallten plötzlich nachts Hammerschläge durch die Dunkelheit. In meinem Traum verarbeitete ich sie als Reparaturen an der Brücke, die wir passieren wollten. Erst ein weiteres Motorboot weckte mich endgültig, und ich stellte fest, dass es gerade erst Mitternacht war. An Schlaf war danach kaum noch zu denken.
Frühstart mit Stromangst
Um 7 Uhr morgens rollten wir völlig übermüdet aus den Kojen. Unsere erste Sorge: Den Stromanschluss unauffällig abzuklemmen, bevor das Restaurant wieder öffnete. Wir wollten auf keinen Fall auffliegen, schließlich hatten wir ohne Erlaubnis Strom entnommen. Die Motivation, früh aufzustehen, lag also weniger im Abenteuergeist als im Vermeiden von Ärger.
Kurz darauf hieß es: Startklar machen für die Brückenöffnung um 10 Uhr. Trotz der kurzen Zeit war die Kälte am Morgen gnadenlos. Bis zur Öffnung froren wir uns buchstäblich den Hintern ab. Umso erleichterter waren wir, als sich endlich die erste Brücke öffnete.
Ein Traum von einem Hafen
Endlich fuhren wir in den Hafen von Sète ein. Was für ein Anblick! Reihen von Segelbooten mit aufgerichteten Masten, Strom- und Wasseranschlüsse direkt am Liegeplatz, und sogar WLAN auf dem Boot – ein Paradies nach den anstrengenden Wochen auf den Kanälen.
Wir konnten es kaum fassen, dass wir nun tatsächlich im Mittelmeerraum angekommen waren. Doch die Arbeit rief: An einem anderen Ort im Hafen vereinbarten wir einen Termin, um den Mast zu stellen und das Boot herauszunehmen, damit wir die Anode wieder anbringen und den Unterwasserbereich checken konnten.
Diese Aufgaben hielten uns davon ab, den Moment richtig zu genießen. Aber tief in uns spürten wir schon jetzt die Freude, ein großes Ziel erreicht zu haben.